Gehört: „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“ von Kurt Krömer

Trigger: Kurt Krömers „Coming Out“ hat mich an mehreren Stellen ziemlich aufgeregt. Es funktioniert vielleicht als Lebensbeichte und als Tatsachenbericht. Aber nicht als Ratgeber. Auch dann nicht, wenn es ganz offensichtlich versucht, Ratschläge zu geben. Es basiert zudem auf den Notizen, die der Autor sich als Patient gemacht hat, so wie andere Patienten auch und das merkt man dem Buch an.

Kurt Krömer kreidet u.a. die Zweiklassenmedizin an, plädiert für ein System, in dem alle einkommensabhängig einzahlen müssen, verlässt aber selbst die Künstlersozialkasse, die genau so ein System ist, und wird Privatpatient. Er ist ein Alleinerziehender, der Oma und Nanny im eigenen Haus hat. Bekommt im Gegensatz zu den meisten anderen Betroffenen nicht nur die Arzttermine und Tagesklinikplätze, die er braucht, zu den Terminen, die ihn in den Kram passen, sondern auch die, die seine Hypochondrie einfordert. Wer hat noch einen Urologen, mit dem er sein kaputtes Leben besprechen kann?

Somit taugt „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“ als Ratgeber oder Spiegel nur für die Depressiven seiner Einkommensklasse. Eine ganz sicher ungewollte unterschwellige Botschaft des Buches ist „Depressionen muss man sich leisten können“. Ich halte in dieser Problematik aber für wesentlich, dass die meisten Betroffenen neben dem Leidensdruck auch massive existenzielle Probleme und reale Ängste haben, während sich Kurt Krömer in seiner Depression mit Angststörungen herumschlägt.

Ich kann mir das alles auch nur einbilden. Will hier auch keine Neiddebatte beginnen oder Kritik an derlei Lebensentwürfen äußern. Ich halte den beschriebenen Werdegang für beeindruckend, auch Krömers Offenheit verdient Respekt, nur impliziert der Titel und der Medienrummel etwas, dass dieses Buch halt nicht ist. Es ist nunmal überhaupt nicht repräsentativ. Die Masse derer, die das nicht aus Voyeurismus konsumieren und Parallelen zu ihren Leben und Leiden suchen, werden sie nicht finden. Es ist ein Unterschied, ob man sich gegen Honorar auf Bühnen abfackelt oder an der Welt verzweifelt. Dafür kann Kurt Krömer nix. Es ist halt sein Leben. Und sein depressiv sein. Und nicht das der anderen. Er gestattet uns Einblicke in das Leben, Lieben und Leiden eines Künstlers, eines Menschen mit „Vollmeise“.

Und vielleicht ist es auch ein Segen, dass Menschen wie Krömer und Sträter das Thema aufmachen. Trotzdem musste ich an einigen Stellen die Stirn einfalten und den Kopf schütteln. Vielleicht ist das ja auch Parkinson. Ich sollte mal zum Arzt. … Wann … September …. ja, ok … was? … ach, 2023 … hmm.

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